Die Irre von Chaillot

Aktualisiert: Apr. 17

Jean Giraudoux

Premiere 29. Dezember 2017

PRÄSIDENT, 2. WACHTMEISTER, JOSÉPHINE
 
Arno Friedrich
 
TAUBSTUMMER, MAKLERIN, CONSTANCE
 
Claudia Schmidt
 
PROSPEKTOR, GABRIELLE
 
Sven Schöcker
 
IRMA
 
Melda Hazirci
 
STRASSENSÄNGER, RETTER, WACHTMEISTER, KLOAKENMANN
 
Denis Fink
 
BLUMENMÄDCHEN, JONGLEUR, KAUZ, PIERRE
 
Mario Linder
 
LUMPENSAMMLER, SCHNÜRSENKELMANN, RENTNER, SANITÄTSOFFIZIER JADIN
 
Timo Alexander Wenzel
 
AURÉLIE, DIE IRRE VON CHAILLOT
 
Margrit Carls

Regie Andreas Seyferth
 
Assistenz Antonia Lange
 
Raum Peter Schultze
 
Kostüm Johannes Schrödl
 
Klangdesign Kai Taschner
 
Lichtdesign Jo Hübner
 
Technik Max Reitmayer
 
Konstantin Schäfer
 
Übersetzung/Fassung Margrit Carls
 
Flyer/Plakat Martina Körner

Verlockender Untergrund...
 
Paris, Terrasse eines Cafés.
 
Zwielichtige Gestalten auf der Suche
 
nach einer Kapitalanlage. Es lockt der Untergrund von Paris -
 
ein Experte wittert ergiebige Erdölvorkommen. Ein renitenter Ingenieur,
 
der dem Projekt die Bohrgenehmigung verweigert,
 
steht kurz vor seiner Eliminierung (per Sprengsatz).
 
Doch der Junge, der das bewerkstelligen soll,
 
zieht es vor, sich das Leben zu nehmen.
 
So weit, so schlecht.

Wären da nicht die "anderen".
 
Die in den Augen der Renditejäger "Überflüssigen". Die retten nämlich erst den Jungen und dann die vom großen Geld verseuchte Welt. An vorderster Front der Kämpfenden: Die Alte, die man "die Irre von Chaillot" nennt. Entschlossen, sich die Schönheit des Lebens zurückzuerobern, organisiert sie ein Tribunal: Ein Quartett von Exzentrikern fällt das Urteil über Leben und Tod einer Clique rüder Psychopathen...

Zur Weihnachtszeit ein Märchen aus den Bauklötzen unserer Welt. Mit galligem Happyend: Die auf Menschen sch**ß*n, erleiden eine finale Klospülung. Sie erwartet tatsächlich der Untergrund - in Gestalt der Kloaken von Paris. Giraudoux erhebt nicht den Zeigefinger; er ist ein Poet, der die Zuschauer verzaubert: mit einem Traum von Zusammenhalt und Widerstand in einer Welt, die das Geld anbetet und sich der berühmten "humanen Werte" entledigt hat. Darin verwoben Geschichten von Liebe, Verlust, Sehnsucht, Altern. Eine skurrile, altmodisch-zeitgenössische Geschichte, die nur so strotzt von der Lebendigkeit ihrer kleinen und großen Held*innen.

PRESSESTIMMEN

[...] Geboten wurde bestes Ensembletheater, in dem jeder auch seinen "großen Auftritt" hatte, denn schließlich handelte es sich um eine Vorlage von Jean Giraudoux, dem Großmeister der Sprachpoesie, dem Dompteur des Surrealen, dem vorzüglichen Menschenkenner... [...]

... voller praller, lebensbejahender Komik und auch voller märchenhafter Schönheit. Er war das Lächeln Giraudoux', über das André Gide sagte: "Keine Macht der Welt, außer der Barbarei, vermag dem Lächeln Giraudoux' zu widerstehen."(Wolf Banitzki / theaterkritiken.com)

Fotos: Hilda Lobinger

MEHR ÜBER JEAN GIRAUDOUX

(1882 - 1944)
 

Diplomat, Erzähler, Essayist, Dramatiker, Drehbuchautor. Aufgewachsen in der mittelfranzösischen Provinz. Hochbegabter Schüler (auch in Sport!) und früher Liebhaber deutscher Kultur. Zwischen 1905 und 1908 bereist er Europa (u. a. mit einem Stipendium an der LMU in München); in Harvard fungiert er als Französischlektor.

Zurück in Paris nimmt er eine Stelle bei der literarischen Zeitschrift Le Matin an und bekommt Kontakt zu Schriftstellern. Schreibt erste Erzählungen. 1910 Eintritt in den Auswärtigen Dienst als Vizekonsul. Mit Ausbruch des Ersten Weltkriegs wird er eingezogen. Höchste Auszeichnungen, zweimalige Verwundung, 1916 Entlassung.

Nach dem Ersten Weltkrieg betätigt er sich weiter als Diplomat und Autor von (vorwiegend) Romanen. Seine Karriere als Dramatiker beginnt erst 1928: Er adaptiert seinen in Deutschland spielenden Roman Siegfried et le Limousin für die Bühne; der große Louis Jouvet inszeniert. Ein neuer Theaterstil ist geboren: "Das poetische Theater der Phantasie und der Sprache" (Georg Hensel). Jouvet animiert ihn zu weiteren Dramen: Amphitryon 38, Der trojanische Krieg findet nicht statt, Undine - insgesamt wird er 16 schreiben, eines bleibt unvollendet. Einige - wie Die Irre von Chaillot, geschrieben 1943 während der Okkupation - werden posthum (1945) uraufgeführt.

1940 Ernennung zum Propagandaminister; unter seinen Mitarbeitern: Alfred Döblin. Wachsende Distanz des germanophilen Autors und Politikers zu Deutschland. Seine Stücke sind im besetzten Paris unerwünscht; 1941 tritt er in den Ruhestand. Ob er bei der Résistance war, ist umstritten. Im Januar 44 stirbt er, offiziell an einer Lebensmittelvergiftung, wahrscheinlich an Pakreatitis; gerüchteweise wurde er von der Gestapo vergiftet.

Nach dem Krieg ist er in Deutschland der meist gespielte französische Autor. Man begeistert sich für die phantasievolle Anmut seiner Stücke, ihren Charme, ihre Poesie und Leichtigkeit, die Originalität und Vorliebe des Autors für magische (Sur-)Realitäten, skurrile Typen und schräge Vögel.
 

"Deutschland ist ein großes menschliches und poetisches Land, von dem die meisten Deutschen heute keinen Gebrauch machen, für das ich aber bisher keinen gleichwertigen Ersatz gefunden habe."

Jean Giraudoux

"In seiner Stimme war ein Necken, in seinen Augen hinter der großen Brille ein Lachen, und sein Pudel führte ihn an der Leine wie einen jener Blinden der griechischen Tragödie, die das Unsichtbare sehen."
 
Jean Cocteau über Jean Giraudoux