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Wölfe & Schafe

Alexander Nikolajewitsch Ostrowski

Premiere 27. Dezember 2014

















MEROPA DAWYDNA MURSAWEZKAJA Margrit Carls APOLLON WIKTORYTSCH MURSAWEZKI Alexander Wagner GLAFIRA ALEXEJEWNA Yasmin Ott JEWLAMPIA NIKOLAJEWNA KUPAWINA Anna Veit WUKOL NAUMYTSCH TSCHUGUNOW Andreas Seyferth MICHAIL BORISSYTSCH LYNJAJEW Hubert Bail WASSILI IWANYTSCH BERKUTOW Sebastian Kalhammer KLAWDI GORJEZKI Denis Fink

Regie Andreas Seyferth Künstlerische Mitarbeit Sven Schöcker Bühne Peter Schultze Kostüm Johannes Schrödl Lichtdesign Jo Hübner Klangdesign Kai Taschner



"Das Lamm ist uns heilig. Es wird nicht geopfert, sondern liegt auf dem Sofa und sieht allen Unzulänglichkeiten zu..." Hans-Dieter Hüsch


Die Alte (verarmter Adel, ledig, bigott, Spezialität Eheanbahnung)

und ihr Adlatus (Spezialität gefälschte Dokumente):

Zwei graue Wölfe in der russischen Provinz.

Jetzt gerade spekuliert die Alte - zur Sanierung der eigenen finanziellen Basis -

auf das Vermögen einer jungen Witwe (reiches schönes Schäfchen),

welches sie sich qua Verheiratung der jungen Dame mit ihrem Neffen

(versoffener Junghammel) unter den Nagel reißen will.

Und ist sie nicht willig, droht man mit Prozess und Ruin.

Außerdem im Spiel:

Die arme junge Verwandte mit dem Klosterzellentraum,

der reiche fette Nachbar mit der Bindungspanik,

noch ein Neffe (Meister der Minne und Kalligraphie);

und last not least der Besuch aus der Hauptstadt als Witwenretter:

verbindlich, glatt, mit allen Wassern gewaschen, ein Mann des großen Geldes:

der ultimative Wolf, Next Generation.

Als er sein Schäfchen ins Trockene gebracht hat,

sehen sich die Alte und ihr Handlanger

"haarscharf mit dem Leben davon gekommen":

Isegrim goes Flokati...

Nicht die einzige Überraschung in Ostrowskis Gehege!

Das alte System plumper Repression

weicht dem der elegant zeitgemäßen Manipulation:

Zum dezenten Triumphgeheul der neuen Leitwölfe (im Schafspelz)

schweigen die Lämmer und gehen shoppen.

Wir schreiben das Jahr 1875...


A. N. Ostrowski (1823 - 1886) genannt "der russische Molière", auch "Kolumbus der russischen Kaufmannswelt", weil er die Bühne mit den ersten Kapitalisten bevölkert. Sohn eines Beamten, aufgewachsen im Kaufmannsviertel des alten Moskau. Besucht das Gymnasium, aber lieber das Moskauer "Kleine Theater", bricht ein Jurastudium ab, wird Kanzleibeamter an diversen Gerichten, wo er Feldstudien für seine künftigen Komödien betreibt. 1851 quittiert er den Staatsdienst, was seine finanzielle Lage nicht fördert, wohl aber seine Produktivität. 1874 gründet er die "Gesellschaft russischer dramatischer Schriftsteller und Opernkomponisten". 1886 wird er Chef des Repertoires der Moskauer Bühnen und Leiter der Theaterschule. Am 14. Juli des Jahres erliegt er einer Angina pectoris. Sein Werk umfasst 47 Komödien, Dramen und dramatische Chroniken, er übersetzt Shakespeare, Cervantes, Goldoni. Zunächst Anhänger der reaktionären nationalromantischen "Slawophilen", Freunden von Leibeigenschaft und Despotie, ändert eine Expedition in die Provinz seine Überzeugungen, er nähert sich den revolutionären Demokraten. Seine satirischen Komödien drehen sich um die Amoral der gesellschaftlichen Akteure, ob adlige Ab- oder bürgerliche Aufsteiger; Tendenzstücke lehnt er ab. Erfolglos bleibt sein Kampf gegen Zensur und die allgewaltigen Direktoren der zaristischen Theater.


"Einkünfte habe ich fast keine vom Theater, obgleich fast alle Theater in Russland von meinem Repertoire leben." Ostrowski



PRESSESTIMMEN


Wenn Schafe die Zähne fletschen

[...] Peter Schultzes Spielraum hielt eine schmalstrukturierte Spielfläche, einen mit weißen Flokati belegten Laufsteg vor, der an die Form eines russisch-orthodoxen Kreuzes erinnerte. [...] Im Hintergrund waren mit dunkler Gaze dezent beleuchtete Logen abgeteilt. Es waren die Wohnstätten der einzelnen Protagonisten. Darin tat man, was man charakteristischerweise tat, jeder für sich. Das schuf Atmosphäre, ohne Salonbehaglichkeit heraufzubeschwören oder zuzulassen. Tatsächlich gelang Regisseur Andreas Seyferth mehr ein zeitgenössisches Destillat als eine opulente historische Boulevardkomödie, welches den Spaß aber keinesfalls vermissen ließ. Und Dank der wunderbaren Leistungen der Schauspieler war der durchaus lehrreiche Abend ein ebenso amüsanter. Die kleine, sehr zerbrechlich wirkende Margrit Carls als Meropa Dawydna nahm in dieser Rolle monströse Ausmaße einer gänzlich skrupellosen und mit gewaltiger negativer Energie geladenen Intrigantin an. Ihr zur Seite Andreas Seyferth als kanzleistaubtrockener Hexenmeister in Fragen der manipulativen Dokumentengestaltung. Als Wukol Naumytsch mit clownesken Zügen zauberte er für jeden noch so unlösbaren gordischen Knoten ein papiernes Schwert hervor. Willig und devot, erfahren in jedem buchhalterischen Sündenfall, blieb er auch im großen Finale ein Überlebender. Dieses Finale dominierte Sebastian Kalhammer, alias Wassili Iwanytsch Berkutow, ein "Wolf" von den Schauplätzen dieser Welt, auf denen die wirklichen Schlachten ausgefochten werden. Kalt, glatt und eloquent, hinter modischer Sonnenbrille, kaltglänzendem Anzug und geschliffener Rhetorik verschanzt, verschlang er den ganzen intriganten Haufen mühelos. Und als er am Ende sein Resümee zog, dem alle mehr oder weniger zähneknirschend zustimmen mussten, schmückte ihn zudem auch noch die schöne junge Witwe Jewlampia Nikolajewna. Die zuvor agile und lebenslustige Anna Veit verlieh ihr am Ende einen zarten Hauch Wehmut über die verlorene Freiheit, tröstete sich allerdings schnell mit einem probaten Mittel: Shopping. Weit peinvoller zeichnete sich die Zukunft von Michail Borissowitsch am Horizont ab. Der reiche ehrenamtliche Friedensrichter, dessen oberstes Gebot immer seine Freiheit gewesen war, um seiner Faulheit und seiner Indolenz hemmungslos frönen zu können, Hubert Bail gestaltete diese Rolle mehr als würdig, wurde jetzt von einer gnadenlosen Glafira Alexejewna am Nasenring durch das (Ehe-) Leben geführt. Yasmin Ott verlieh dieser Rolle unwiderstehlichen Charme in der Phase der Eroberung und Bösartigkeit nach dem Sieg. [...] Ungeachtet dessen bewies aber die Inszenierung im Theater Viel Lärm um Nichts in der Pasinger Fabrik, dass Ostrowskis Komödien nicht nur spielbar und hochaktuell sind, sondern dass sie in gelungenen Inszenierungen durchaus über zeitgenössische Entwürfe hinausgelangen. Ach übrigens: Wo sind eigentlich die guten Komödien unserer Zeit? Wolf Banitzki / theaterkritiken.com

Molière vor der russischen Revolution

[...] "Wölfe und Schafe" lässt die dräuende Zeitenwende aufscheinen. Die stets missbrauchte Macht des Adels verblasst und künftig herrscht das ausbeuterische Geld. [...] Die Frömmelei, unter der Betrug und Korruption blühen, bringt Bühnenbildner Peter Schultze auf ein effektives Bild: Der Laufsteg, auf dem sich die verworfene Bagage präsentiert, hat die Form eines mit schäfchenweißem Flokati bedeckten russisch-orthodoxen Kreuzes. Das ist natürlich mehr Typensatire als psychologisches Kammerspiel, aber die "Wölfe und Schafe", dressiert von Regisseur Andreas Seyferth, sind eine hoch amüsante und lebendige Tierschau voller individueller Eigenheiten und Macken. Das zentrale Traumpaar sind Margrit Carls als abgewirtschaftete Gutsbesitzerin Meropa Mursawezkaja und Seyferth selbst als ihr juristischer Berater Wukol Tschugunow, der nur noch grau ist, aber schon lange kein Wolf mehr. Sie haben keine Chance gegen die Dämlichkeit von gleich zwei alkoholaffinen Neffen (Alexander Wagner, Denis Fink), die freche Verschlagenheit der verarmten Verwandten (Yasmin Ott), das Glück der liebenswert lebensunfähigen jungen Witwe (Anna Veit), des beziehungsscheuen Friedensrichters (Hubert Bail) und des vor allem im wirtschaftlichen Raubtierkäfig der Hauptstadt erfolgreichen Gutsbesitzers (Sebastian Kalhammer). Seyferths spielerische und doch präzise Komödiantik macht Lust auf mehr alte Russen. Mathias Hejny / AZ

Die manipulierte Mehrheit

Die Vögel zwitschern wieder. Als sei nichts passiert. Still liegt alles da. Die Flokati-Bühne in Form eines orthodoxen Kreuzes, der Kunstrasen, die gut einzusehenden Hinterzimmer. Dabei war es gerade erst tierisch abgegangen - [...] Intrigen, Manipulation, Schiebung, List, Lüge, Betrug: Ostrowski, der russische Molière des 19. Jahrhunderts, legt schonungslos offen, was sich da an Abgründen auftut in der Gesellschaft zu Zeiten von Zar Alexander II. [...] Im Mittelpunkt stehen zwei graue Wölfe in der russischen Provinz. Sie, die bigotte, verarmte Adlige - von Margrit Carls mit jeder Faser zum Leben erweckt - spekuliert auf das Vermögen einer jungen Witwe. Er, der schleimig-hinterhältige Adlatus, hilft ihr, wo er nur kann [...]. Gespielt wird er äußerst glaubhaft von Regisseur Andreas Seyferth [...]. Die Alte will die junge Witwe - Anna Veit lässt sich in ihrer Rolle wunderbar manipulieren - zunächst mit ihrem versoffenen Neffen (Alexander Wagner agiert gekonnt exaltiert) verheiraten, ändert aber später ihre Pläne. Die arme Verwandte - frisch, frech und belebend: Yasmin Ott - mutiert von der Nonne in spe zur reichen Gattin, reißt sich den bindungsscheuen Nachbarn, herrlich tölpelhaft gespielt von Hubert Bail, unter den Nagel. Unterstützt von einem weiteren Neffen, Typ kleiner Ganove, dargestellt von Denis Fink, sorgt der Besuch aus der Hauptstadt, der Mann des Geldes (überzeugend aalglatt gegeben von Sebastian Kalhammer) für Unruhe und überraschende Wendungen. [..] Am Ende der Premierenvorstellung lang anhaltender Applaus und "Bravo"-Rufe. Obwohl Ostrowski mit den Zwängen der Zensur zu kämpfen hatte, zeichnete er ein bitterböses Bild seiner Zeit. Mit Gespür für die Sprache, mit Satire an den richtigen Stellen. Damals wie heute sind es einige wenige Menschen, die die Masse steuern. [...] Guido Verstegen / Münchner Merkur


(theater to go)



Fotos: Hilda Lobinger


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