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Das Leben des Timon

William Shakespeare

Premiere 13. April 2013



Timon Andreas Seyferth Flavius Astrid Polak Kaufmann, Alter Mann, Alkibiades Flaminius, Senator, Bandit Daniel Pietzuch Juwelier, Bote, Lucilius, Apemantus Lord Lucius, Geldeintreiber Sven Schöcker Dichter, Lady, Lord Sempronius Geldeintreiber, Senator, Phrynia, Bandit Catalina Navarro Kirner Maler, Lord Ventidius, Senator Geldeintreiber, Timandra, Bandit Alexander Wagner

Übersetzung + Regie Margrit Carls Regieassistenz Nilgün Bakir Körperspieltraining Boris Ruge Kostüm Johannes Schrödl Klang Kai Taschner Licht Jo Hübner Foto: twinlili/pixelio.de, Margrit Carls Fotomontage: Martina Körner



- Was macht die Welt? - Wird alt und latscht sich ab, Sir.

Da freut sich einer, dass die Millionen, die er besaß und mit vollen Händen für Party, Kunst und gute Werke unters Volk (dessen bessere Kreise) brachte, endlich futsch sind. Mehr als futsch: er steckt - allen rechtzeitigen Warnungen seines Verwalters zum Trotz - tief in der Kreide. Doch nun können ja die vormals Beschenkten, die Genossen der gepflegten Gelage, beweisen, was sie wert sind… Nichts, wie sich erweist. Wer einst in froher Erwartung satter Renditen von Herzen gern und jederzeit Kredit gewährte, gibt sich und seine Börse, wer hätte es gedacht, schlagartig zugeknöpft! Und Timon, der gute Mensch (ach was: Gott) von Athen, der edle Menschenfreund, mutiert auf der Stelle zu Timon, dem einsamen Menschenhasser. Waidwund zieht er sich in Waldes Einsamkeit zurück, Sturzbäche irrwitziger Verwünschungen ausschäumend, rasend, hemmungslos im allumfassenden Vernichtungswahn. Doch wie 's der Teufel will: Seine Nahrungssuche führt ihn pfeilgrad zu Edelmetall; abermals steht die Welt bei ihm auf der Matte (vor der Höhle); einmal mehr bringt Timon den Mammon unter die Menschheit: dieses Mal zweckgebunden…

Shakespeares Athen, das London meint, strotzt von Schmeichlern, Heuchlern und Schmarotzern. Geld ist die Währung für alles und alles ist Ware - außer so 'Gedöns' wie Weisheit und Liebe: die sind Mangelware… in Timons Welt…


theater VIEL LÄRM UM NICHTS

ist Partner der Deutschen Shakespeare-Gesellschaft:

"Shakespeares Bilanzen:

Frühjahrstagung 2013 in München"

"Zur Frühjahrstagung 2013, die vom 26. – 28. April in München stattfindet,

lädt die Deutsche Shakespeare-Gesellschaft in Zusammenarbeit

mit dem Kulturreferat und dem Literaturhaus München sehr herzlich ein.

Unter dem aktuellen Thema "Geld und Macht: Shakespeares Bilanzen"

bietet sie wieder eine Vielzahl von Veranstaltungen, darunter

Vorträge, Workshops, Diskussionen, das Forum Shakespeare & Schule,

das Wissenschaftliche Seminar sowie natürlich aktuelle Inszenierungen

und Aufführungsgespräche; Partner hierfür sind das Residenztheater,

die Münchener Kammerspiele und das Theater "Viel Lärm um Nichts"

in der Pasinger Fabrik, das Timon von Athen zur Aufführung bringt.

Dieses selten gespielte Stück ist für unser Tagungsthema

von besonderem Belang: Kein anderer als Karl Marx

war zutiefst davon beeindruckt, wie "trefflich"

es das "Wesen des Geldes" erkunde, um auf diese Art

die "allgemeine Verwechslung und Verkehrung der Dinge" vorzuführen."

www.shakespeare-gesellschaft.de


"Die Herrschaft einer privilegierten Gesellschaft von Kaufleuten ist wohl die schlimmste aller Regierungen für jedes Land. Eine Gesellschaft von Kaufleuten ist offensichtlich unfähig, sich als Landesherr zu begreifen. Selbst dann nicht, wenn sie diese Aufgabe selbst wahrnehmen. Sie betrachten nach wie vor den Handel als ihre entscheidende Funktion. Und in seltsamer Verkennung der Tatsachen sehen sie in der Aufgabe des Souveräns bloß ein Anhängsel zu den Pflichten des Kaufmanns." Adam Smith



DAS LEBEN DES TIMON_spielfassung
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PRESSESTIMMEN


Wahrheiten, die niemand wahrhaben will

[...] Es geht in dieser Tragödie um das Wesen des Geldes und seine Folgen für die Gesellschaft, die eigentlich jeder kennt, weil es in der menschlichen Geschichte seit den Phöniziern im Grunde um nichts anderes mehr geht. Das große Mysterium des Geldes besteht darin, dass es die Möglichkeit schafft, alle Werte umzubewerten.

[...] Nicht der Mangel an Geld ist das Problem, sondern das Geld an sich. Der Mangel ist eine unumstößliche Voraussetzung, um das Geldsystem am Laufen zu halten. Gäbe es genug davon, hätte es keinen Wert mehr. Armut ist eine Grundvoraussetzung! So einfach ist das, doch niemand scheint es wissen zu wollen. Um so löblicher ist es, dass Margrit Carls sich daran gemacht hat, das Werk neu zu übersetzen und es damit auch neu zu deuten. Seit es keine Nachrichten im ursprünglichen Sinn mehr gibt, sondern nur noch über Geldprobleme geredet wird, ist es unbestritten das aktuellste Stück.

Frau Carls, die auch für die Einrichtung der (fragmentarischen) Tragödie im Theater "Viel Lärm um Nichts" verantwortlich zeichnete, wählte die Mittel des epischen Theaters, um sich auf die Kernaussagen zu konzentrieren. Die Darsteller agierten mehr oder weniger in uniformen grauen Anzügen. Sie unterschieden sich durch angedeutete Farbmasken oder durch zweckentfremdetes Tragen der Kleidung. (Kostüm: Johannes Schrödl) Außer Andreas Seyferth, der den Timon gab, und Astrid Polak als Verwalter Flavius, spielten sämtliche Darsteller mehrere unterschiedliche Rollen, bei denen es nicht darum ging, ausgefeilte Charaktere zu präsentieren, sondern vielmehr das jeweilige psychologische Verhältnis der Person zum Geld zu definieren. Heraus kam ein gut durchchoreografiertes Marionettentheater, bei dem der Gott Mammon die Fäden zog. (Körperspieltraining: Boris Ruge). Astrid Polak erinnerte in ihrer Fragilität an eine Figur aus einem Magritte-Bild, surreal in dem Bemühen, Geld und Moral oder doch wenigstens Vernunft in Verbindung zu bringen.

Die Inszenierung wurde von Andreas Seyferth dominiert, der mit der Rolle des Timon seine ganze Schauspielkunst entfaltete. Ausgestattet mit intelligentem, komischem aber auch derbem Text bot er eine gestalterische Wucht, die bisweilen Gänsehaut bereitete. Seyferth hatte Momente in seinem Spiel, in dem blanker Existenzialismus durchschimmerte und bedeutete, dass das alles kein theatraler Spaß war, obwohl es durchaus spaßig und unterhaltsam ausschaute. Dabei ist unbedingt anzumerken, dass Seyferths Wirkung auf das kontrastreiche Spiel seiner Mitstreiter basierte, die allesamt ihre Parts mit Verve und gestalterischer Kraft absolvierten. Gespielt wurde auf einer schrägen Bühne, hinter der sich ein erhöhter Laufsteg befand. So konnten unterschiedlichste Ebenen dargestellt werden und die Darsteller vollzogen ihre Verwandlungen unsichtbar auf der Bühne.

Es war eine sehenswerte und zugleich lehrreiche Inszenierung, die zudem einen provokant entlarvenden Charakter hatte. Der Satz: "Über Geld redet man nicht", bekam in dieser Inszenierung eine völlig neue Bedeutung, denn er lässt in diesem Kontext darauf schließen, dass es unser aller Achillesferse ist, an die wir uns nicht greifen lassen wollen. In diesem Sinn ist wohl auch das Zitat von Charles Bukowski im Programmheft zu werten: "Diese öden Scheißer. Dieser Friedhof über der Erde. Ein Grabstein für den ganzen Schlamassel, und darauf gehört die Inschrift: Menschheit, du hattest von Anfang an nicht das Zeug dazu."

Es steht zu befürchten, dass, wenn es einen Volksentscheid geben würde, ob wir lieber die Sonne oder das Geld behalten wollen, wir die Sonne als verzichtbar erklären würden.

Wolf Banitzki / theaterkritiken.com

Komödiantischen Mehrwert erwirtschaftet

[...] Er ist ein ferner Verwandter des Königs Lear. [...] Margrit Carls entschlackte die Parabel [...] entschlossen [...] Andreas Seyferth in der Titelrolle, ein großspuriger Egozentriker nicht nur auf der Party-Area, sondern auch im Erdloch, in dem er sich fast nackt verkriecht. Catalina Navarro Kirner, Astrid Polak, Daniel Pietzuch, Sven Schöcker und Alexander Wagner tummeln sich vergnüglich durch die weiteren 26 Figuren in der Stadt der Verderbten.

Mathias Hejny / Münchner Abendzeitung


Käufliches Glück auf Pump

[...] Die Regisseurin und erfahrene Shakespeare-Übersetzerin Margrit Carls hat den Text sensibel mit Gegenwartsjargon und Verweisen auf die Finanz- und Schuldenkrise angereichert und leichthändig und kurzweilig inszeniert. Das Ensemble, in dessen Zentrum Andreas Seyferth als zum Misanthropen mutierender Mäzen Timon steht, trumpft mit komödiantisch karikierender Spiellust auf. In fließendem Rollenwechsel verkörpern Catalina Navarro Kirner, Daniel Pietzuch, Sven Schöcker und Alexander Wagner über zwei Dutzend Figuren von den käuflichen Freunden über die Senatoren bis zu den perfiden Geldeintreibern.

Petra Hallmayer / Münchner Feuilleton


Fotos: Hilda Lobinger





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