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DIE AHNFRAU

Franz Grillparzers

MELOHORRORMUSICDRAM

Premiere: 31. Januar 1991


Regie: Andreas Seyferth

Regieassistenz: Astrid Wild

Musik: Gert Wilden / Michael Popp

Bühne + Licht: Anette Richter

Maske: Susanne Staudinger



mit Graf Zdenko von Borotin Achim Höppner Berta Margrit Carls Jaromir Stephan Hoffmann Günther Tonio von der Meden Boleslav Klaus Kessler Ein Hauptmann Hans Mayer Ein Soldat Michael Popp

Live-Musik Michael Popp




GÜNTHER

Also harret sie seit Jahren

Auf des Hauses Untergang...

BERTA

Ist 's Wahrheit, was der Alte spricht?

GRAF

Was ist wahr, was ist es nicht?

Lass uns eignen Wertes freuen

Und nur eigene Sünden scheuen.




AHNFRAU Öffne dich, du stille Klause, Denn die Ahnfrau kehrt nach Hause!

Aber so, jetzt bin ich nun einmal der Schicksalsdichter! Als ob es kein Schicksal gäbe? Sie, ich, jeder hat sein Schicksal... Glaub ich etwa an Gespenster, weil die Leute im Stück daran glauben? ... Zugleich sollte die Deutschen in ihrer abgeschmackten Gründlichkeit nie den Unterschied zwischen Poesie und Prosa, noch den Umstand vergessen, dass ein Trauerspiel, so traurig es sein mag, doch immer auch ein Spiel bleibt. (Grillparzer, Selbstbiographie)


PRESSESTIMMEN


Am 15. Januar war Franz Grillparzers 200. Geburtstag. [...] An der "Ahnfrau" von 1817 [...] hat Andreas Seyferth mit Bravour eine ironische Lust an einer Camp-Inszenierung ausgetobt - ohne dem Dramatiker das später voll entwickelte Talent ganz abzusprechen. Fatalismus und Weltschmerz des biedermeierlichen Lebensgefühls scheinen durch Kitsch, Komik und Melodramatik hindurch. Ein Wunderwerk die expressionistische Bühne und Licht (Anette Richter): Kalkweißes windschiefes Gemäuer, krumme Treppchen, Spinnweb-Fenster, nachtschwarze Draperien, hinter denen Stimmen zu hören sind, oder die einst ehebrecherische Ahnfrau als unheilkündendes Gespenst aufleuchtet. Hier nun, zu Füßen bereits den Familiengrabstein, der Hausherr, letzter Spross der von Borotins (Achim Höppner: gelungenes Wrack gelebter Lüste), mit seiner Tochter Berta (Margrit Carls: durchsichtig-schöne Melosine). Die Lebemann-Rose am Jackett, wehklagt der Graf unter hängenden Lidern über den Fluch der Ahnfrau, das Geschlecht auszulöschen - dabei köstlich gegen den Strich intonierend. Ihn übertrifft noch Günther, das greise Faktotum. Tonio von der Meden lässt den hehren Trauerton bis zur Moritat anschwellen. Oder hebt mit Fiedel und Bogen ab in wunderbar musikalische Höhen. Fast gegen alle Erwartung halten die Schauspieler die Spannung durch die zähe Schicksalserfüllung: Der totgeglaubte Borotin-Sohn Jaromir (Stephan Hoffmann) kehrt als Räuber zurück. Liebt die Schwester. Erdolcht den Vater. Haucht sein Leben aus im gespenstischen Schoß der Ahnfrau, alldieweil Berta Gift nimmt. Und während der 'ödipale' Schmachtbrocken trotz Kürzung gelegentlich abzusacken droht, ergeben sich andererseits mit Margrit Carls immer wieder lyrische Szenen, die von der Handlung abgelöst, als poetische Bilder ganz für sich stehen. Carls und Hoffmann gelingt es auch, trotz Leier-Vers und forciertem Pathos, in diese Liebesgeschichte hineinzuziehen, so dass der einstige Erfolg dieses Stücks erahnbar ist. Münchner Merkur - Malve Gradinger


[...] Von da an entwickelt der Abend einen merkwürdigen Sog. Wie Schlafwandler spielen sich der Schauspieler auf das Ende zu, und wir verzeihen ihnen, dass sie sich zum Anwalt dieses krausen Stücks machen statt zu seinem Terminator. [...] Ein seltsamer Abend. Dieses Stück spielen heißt das Unmögliche wagen. Das "Theater viel Lärm um Nichts" ist wohl gescheitert. Aber wie es gescheitert ist, mit welch beharrlicher Naivität, das macht diese "Ahnfrau" zu einer beeindruckenden und bemerkenswerten Produktion. Und zu einem süßen Versprechen für das nächste Mal! SZ - Robin Detje


Natürlich wusste das entdeckungsfreudige Team um Andreas Seyferth, was es tut, als sich Grillparzers Erstling vornahm. Vom 26jährigen so gewandt wie (heute) komisch hingeverselt, war das ein spätbarocker Mord- und Gruselreißer und zeitlebens sein erfolgreichstes Stück. Am Söller seines gruftigen Schlosses (kein schöner Grab: Anette Richters Bühne) beklagt der letzte Graf Borotin (tragikomische Stummfilm-Figur: Achim Höppner) seinen baldigen Tod - erbenlos. Das Gepenst der dereinst ehebrüchigen Ahnfrau ist unheilkündend unterwegs. Der Dichter weiß: "Denn sie kann 's nur vorhersehen,/ ab es wenden kann sie nicht." Vorfreudianisch lauert ein Schuldkomplex der Familie auf: "Sündge Mütter, sündge Töchter." Lösung scheint der fesche Fremde zu bringen, der das Herz der Tochter Bertha im Sturm erobert. Doch ach, der früh entführte Sohn, bei Mördern aufgewachsen, hat einen Milieuschaden; er muss den Papa meucheln und haucht seinen Geist im Schoß der Ahnfrau aus. Wir sehen, modisch gesagt, einem selbstgenießerischen Dekadenz-Prozess zu. Da liegen schon einige aktuelle Nerven bloß, die Grillparzers Reimgefidel eher zu- als aufdeckt. Seyferths in die ergötzlich wabernde Groteske verliebte Inszenierung zeigt sie - immerhin - vor: im Sprache und Spiel der trauerweidenzarten Margrit Carls, in den gespinstigen Klage-Arien von Tonio von der Medens Schlossfaktotum. Ach Untergang, wie bist du schön! AZ - Ingrid Seidenfaden


Ein ziemlich respektloses Geschenk macht [...] das mittlerweile zu erstaunlicher Qualität gekommene Vorstadttheater [...] und erspielte sich mit viel Witz und ironischer Distanz ein unspielbares Stück. (...) erfreulich runde Inszenierung. Natürlich wird in dem Grusical "viel Lärm um Nichts" gemacht - wir aber sagen: gut gebrüllt, Löwe. applaus - Traian Grigorian



Fotos von Volker Derlath




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