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... und zeit vertreibt die liebe

(la double inconstance)

ein lust-spiel von

marivaux

premiere 18. april 1990

wiederaufnahme 22. september 1990



spielleitung andreas seyferth

musik klaus nomilicht, annette richter

übersetzung +fassung margrit carls

produktionsassistenz cornelia rapp


mit

matthias friedrich / stephan hoffmann

margrit carls

uta kienemann

petra einhoff / petra bösch

marcus off

klaus kessler / andreas seyferth










Silvia ist verlobt mit Arlequin • der Prinz hat sie gesehen und will sie haben • er lässt sie entführen • Silvia will nichts von ihm wissen • die Vertraute des Prinzen entwickelt eine Strategie der Manipulation: sie verführt mit Freundschaft und Freiheit, kitzelt Eitelkeiten, lockt mit Luxus und Privilegien • die sanfte Gewalt siegt: die einen bekommen, was sie wollten, die anderen, was sie wollen sollten.


"Die elegante und graziöse Geschichte eines Verbrechens." Jean Anouilh



PRESSESTIMMEN


[...] Marivaux (1688 bis 1763) führt in seinen Komödien bittersinnige Versuchsanordnungen vor. Das Theater Viel Lärm um Nichts hob in der Pasinger Fabrik sein Stück ...und Zeit vertreibt die Liebe" (La double Inconstance) auf den Prüfstand von Kultur gegen Natur. Der Salon ist eine pflaumenweiche grüne Plüschwiese, bekrönt von einem fliederfarbenen Monstrum von Sofa. Hier findet eine mörderisch elegante Untersuchung und Manipulation von Seelen statt - Freud lacht sich ins Fäustchen. Der Prinz, ein bleicher Élégant, küßt die neuesten Parfümproben von den Händen seiner mattschönen Gefährtin und hungert nach der ursprünglichen Liebe des prächtigen Naturkindes Silvia. Er hat sie, Adel kann alles, entführen lassen, doch das Mädchen steht zum Rauhbein-Verlobten Arlequin. Flaminia, ihre totbleiche Liebe zum Prinzen im Auge, setzt ein teuflisches Planspiel ins Werk: man führe die beiden zusammen, traktiere das ungebürstete Paar mit zierlichen Komplimenten, feinem Futter und Roben und warte genüßlich, bis die todsichere Liebe zu bröckeln beginnt. Mit betörender Delikatesse und gläserner Eleganz führt Marivaux den Prozeß einer Gehirnwäsche vor. Als Spiel der Lust einer von allzuviel Lüsten ermatteten Gesellschaft. Auf der von Spiegeln umstellten Weichwiese führt der Regisseur Andreas Seyferth die Montage und Demontage wie im Gewächshaus vor. Mit Sinn für die durchsichtigen Dialoge und mit gerade so viel Ironie, dass sich schwindelnde Abgründe auftun, gleich wieder übersprungen von der amüsierten Neugier der Figuren für ein Spiel, das sie selbst, o Irrtum, zu steuern meinen. Ein Hauch von Melancholie, welkschöne Gesten und Lidschläge zwischen Lüge und Lust: Margrit Carls’ Flaminia scheint um ihren Prinzen (Mathias Friedrich) und sein Landäpfelchen (Petra Einhoff) silberne Fäden zu spinnen, um mit einer Schleife noch den grünen Rempler (Marcus Off) für sich zu zähmen. Ein schauriges Schlußtableau: glücklich getrennt starren die Paare sich selbst im Spiegel an. Mustermenschen, den nächsten Zeitvertreib erwartend. Ingrid Seidenfaden (AZ•Stern)


Eine wahlverwandschaftliche Versuchsanordnung aus dem Chemiebaukasten der Gefühle: Element A löst sich von B und geht mit C eine Verbindung ein. Element B vereinigt sich mit D, dem auch schon E zustrebt. Element F verträgt sich mit keinem der anderen. [...] Gefährliche Liebschaften. Am traurigen Schluß dieses Experimentes über die Unbeständigkeit der Liebe bleiben lauter betrogene Betrüger übrig; alle haben alles verloren. Vereinzelt und vereinsamt stehen sie im Raum. In gallgrünes Licht getaucht, prosten sie ihren Spiegelbildern zu, verschwinden dann im Dunkel, aus dem sie anfangs herausleuchteten. Unerbittlich hat Regisseur Andreas Seyferth die Vivisektion der Leidenschaften vorangetrieben […] Eine weite Rasenfläche mit vereinzelten Blumen, ein lila Sofa, dahinter schief hängende Spiegelflächen - eine Kunstwelt; durchweht von Klaus Nomis irren Koloraturen, bevölkert von artifiziellen Geschöpfen. […] Als Gegenentwurf [...] das niedere Paar: Petra Einhoff, mit frischen Kernseifencharme, ist ganz Naturkind, mutiert gleichwohl am Ende der Komödie der Irrungen zur abgefeimten Dame von Welt; ebenso Marcus Off, dem, sobald die Strubbellocken zum Zopf gebunden sind, alle Bockigkeit abhanden kommt. Die rätselhafteste Figur: Margrit Carls' Flaminia, die souveräne Spielmacherin mit dem geheimnisvoll umschatteten Blick [...]. Die berechnend kühle Intrigantin entpuppt sich als schmerzvoll Leidende. Wer gerade nicht aktiv beteiligt ist, thront an der Seite auf Rokokogestühl, beobachtet, hinter Masken versteckt, den Fortgang des Geschehens. [...] Detailgenau beobachtet, deckt Andreas Seyferth die Mechanik der Verführung auf, inszeniert Marivaux fast ohne Aktualisierungen, denn dessen Thema ist zeitlos. Unterstützung bietet Margrit Carls’ biegsam-direkte, Kraftausdrücke nicht scheuende Neuübersetzung, die dem Stück einen Rest von Molière lässt, ohne die empfindliche Balance der Emotionen aus dem Gleichgewicht zu bringen. Eine reife Leistung. […] Manuel Brug (SZ)


[...] Und alldieweil man sich U-mäßig relaxed dem psychologisch und sprachlich brillanten Sitten- und Liebes- Divertimento hingibt, spiegelt dieses einem E-mäßig sarkastisch in die eigenen Seelenecken hinein. [...] Die Doppelhochzeit - Flaminia nimmt Alrequin, der Prinz fast widerwillig Silvia - wird unter Andreas Seyferths Spielleitung sehr schlüssig zur düster ausgeleuchteten Totenmesse. Der Jagdinstinkt ist gestillt, der Seelenkrimi vorbei. [...] Petra Einhoff als Silvia und Marcus Off als Arlequin [...] zeigen dabei sehr schön - möglicherweise sogar gegen den Strich -, daß sie nicht nur durch die sanft-gewalttätige Manipulation umkippen, sondern auch in einem anderen Milieu plötzlich in sich noch nicht gewußte oder verdrängte Eigenschaften und Wünsche zugeben. [...] Malve Gradinger (Münchner Merkur)


Virtuos beherrschen sie die Tricks der gezielten Verführung, die Gefühlstechniker vom Theater „Viel Lärm um Nichts“ […] Jeder einzelne [...] ein unübertrefflicher Provocateur d’amour […] Mit schlafwandlerischer Sicherheit zeigt Regisseur Seyferth sein ganzes Können […[ Der Grund des Herzens besteht aus einem doppelten Boden. Seyferth macht darauf virtuose Kapriolen. Eine bravouröse Leistung. Sven Siedenberg (Prinz)



Fotos von Jürgen Winzeck

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